Alte Stadtmauer in Worms
Bilder oben von A. Hoffmann, in "Die Großen deutschen Heldensagen", von Gustav Schalk, 1935



Die letzten Tage der Eule

Hintergrundinformationen zur Romanhandlung

Natürlich ist der geschichtliche Hintergrund des Romans so umfassend, dass man ihn hier nicht ausführlich darstellen kann. Dafür gibt es eine unüberschaubare Literaturmenge an Bänden zur Geschichte und Philosophie. Hierzu sei auch auf die Literaturhinweise verwiesen, die jedem zu empfehlen sind, der sich in die spannende Zeit der Spätantike und Völkerwanderung vertiefen möchte.

Für alle, die nur ein wenig Hintergrund benötigen, gebe ich aber ein paar Fakten und Anmerkungen zu einigen historischen Figuren und Ereignissen hier an. Besonders hinweisen möchte ich auch auf die „Zeitleiste“, die sehr schön aufzeigt, was alles im Handlungszeitrahmen des Romans geschichtlich passiert ist.


Die Nibelungen und Siegfried

Honorius und Stilicho

Hypatia und das Museion

Worms/ Vangiones



Die Nibelungen und Siegfried

Das Nibelungenlied (und die Edda) mitsamt der Siegfried-Sage gelten als die älteste deutsche Geschichte, die von Deutschen, bzw. im deutschen Sprachraum lebenden Menschen erzählt wird. Niedergeschrieben, wie wir sie heute kennen, wurde sie erst im 13. Jahrhundert, sie reicht aber inhaltlich in die erste Hälfte des ersten Jahrtausends zurück. Wie viele solcher Sagen ist ein historischer Hintergrund wahrscheinlich und auch konkret auszumachen. Kern der Sage ist letztlich der Untergang der Burgunden durch Römer und Hunnen. Tatsächlich war die Gegend um Worms herum wohl der Ort, an dem sich zur Völkerwanderungszeit ein kleines, Rom zur Treue verpflichtetes Königreich der Burgunden angesiedelt und etabliert hat und ebenfalls historisch belegt ist dessen Zerschlagung schon nach wenigen Jahrzehnten durch den römischen Kaiser, wobei sich der Heerführer Aetius dazu hunnischer Krieger bediente.

Ebenfalls typisch für solche Sagen ist aber auch, dass verschiedenste Figuren und Ereignisse aus mehreren Jahrhunderten in einer neu zusammengestellten Geschichte verschmelzen. So scheint es Brunhilde hoch aus den nordischen Ländern oder Island ebenso gegeben zu haben wie eine Kriemhild, auch einen Burgundenkönig Gundahar oder Guntiar. Sie lebten jedoch teilweise zu so unterschiedlichen Zeiten, dass sie keine Zeitgenossen waren.

Auch die Siegfriedsage ist nicht historisch unterlegt. Wird er im Nibelungenlied als Königssohn und Schmied der Franken aus Xanten (= Ulpia Trajana) eingeflochten, so deuten neueste Funde im Zusammenhang mit der „Schlacht am Teutoburger Wald“, der Varusschlacht, bei Kalkriese, durchaus darauf hin, dass auch Arminius (Hermann) der Cherusker durch den Sieg über den Römischen Drachen (das sich durch die Wälder schlängelnde gepanzerte römische Heer des Varus) zur späteren Siegfriedfigur (er brachte ja quasi damals einen „Siegfrieden“) wurde und als solche in die Nibelungensage eingebaut wurde. Eine weitere Entsprechung ist der Goldschatz, den er hatte (die gewiss üppige Sold- und Münzausstattung der Varustruppen zur Besoldung des Heeres) und das Wappenzeichen der Legion des Varus, ein Drachen.

In dem Roman „Die letzten Tage der Eule“ wird die gesamte Siegfriedsage in einen Personen- und Beziehungszusammenhang gestellt, der auf sehr menschliche und realistische, vielleicht auch verblüffend banale Weise die Grundlage für spätere Heldensagen geliefert haben könnte.

Siehe hierzu auch diese Quelle.


Honorius und Stilicho

Honorius war Kaiser des Westreiches (nach der Teilung des römischen Reiches) von 393 bis 423, also knapp 30 Jahre lang. Unter ihm kam es zu schweren Einfällen der Goten in Norditalien und zugleich zum Einfall großer Germanen- und Alanenströme in Gallien. Britannien wurde aufgegeben, mehrere Gegenkaiser aus Armeekreisen wurden niedergerungen. Seinen Sitz verlegte er, um notfalls auf dem Seeweg nach Konstantinopel fliehen zu können, von Mailand (Mediolanum) nach Ravenna. Sein wichtigster Heermeister war Stilicho, ein Vandalenabkömmling und zugleich sein Schwiegervater. Stilicho tat sich dadurch hervor, dass er teilweise erfolgreich und unter Zuhilfenahme der Hunnen die Goten im Norden Italiens besiegte

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Unter Honorius wurde im Jahr 410 Rom von den Westgoten unter Alarich eingenommen und geplündert. Neben den militärischen Niederlagen und Wirren kam es unter Honorius auch zu einem allgemeinen Verfall der Wirtschaftskraft des Reiches und zu einer Erosion der Verwaltung. Trotz seiner langen Regierungszeit haftet ihm eher der Ruf eines schwachen Kaisers an, der nur dank starker Heerführer so lange an der Macht blieb. Die Phase seiner Regierungszeit ist unzweifelhaft eine, in der der Verfall des Römischen Reiches und seiner Kultur ganz besonders stark voranschritt.

Stilicho fiel durch die Hand seiner Soldaten, als er in Gallien einen Feldzug anführte. Er war zuvor mit dem Plan gescheitert, gemeinsam mit den Westgoten unter Alarich Ostrom anzugreifen.

Auf Honorius folgte nach kurzem Intermezzo sein Neffe Kaiser Valentinian III., der Sohn von Galla Placida, einer Halbschwester von Honorius.  Dieser war erst sechs Jahre alt, als er zum Kaiser erhoben wurde, weshalb das Reich faktisch von seiner Mutter Galla Placida und ihren Heerführern geleitet wurde.



Hypatia und das Museion

Sie wird als Mathematikerin und Philosophin am Museion in Alexandria beschrieben. Über ihre genaueren Forschungen besteht wenig Gewissheit, ziemlich sicher ist jedoch, dass sie durch (christlichen) Mob erschlagen und ihr Leichnam durch die Straßen Alexandrias geschleift wurde. Vermutet wird, dass der damalige Bischof Kyrill in Alexandria, dem sie ein Dorn im Auge war, hinter dieser Mordtat steckte.

Tatsächlich konnte sich das Museion, wenn auch gewiss unter Druck und mit Auflagen und Einschränkungen, länger als Akademie und Lehranstalt halten als die allermeisten anderen Schulen im Römischen Reich. So fiel es schließlich in die Hände  der Araber, als diese unter Mohammed die Maghrebstaaten eroberten. Durch vermutete Auslagerung von Beständen nach Konstantinopel wie auch die Zerstörung Alexandrias ist davon auszugehen, dass ein Großteil des Bestandes nach und nach verloren ging. Insgesamt haben die Araber jedoch mehr für den Erhalt dieses Wissens getan als für seine Zerstörung, anders als die frühen Christen. Sonst wäre auch kaum erklärbar, dass nur Rückübersetzungen aus dem Arabischen ins Griechische und Lateinische die heute bekannten alten Schriften in die Renaissance retteten.

Das Serapeion war eine kleinere, in den Tempelanlagen gelegene Bibliothek, die auf Betreiben der Christen bereits gegen Ende des vierten Jahrhundert zerstört wurde.



Worms/ Vangiones

Worms gilt als eine der ältesten Städte Deutschlands. Schon bevor die Germanen es etwa 100 Jahre v. Chr. besiedelten, bestand es als keltische Siedlung mit dem Namen Borbetomagus. Als Cäsar bei seinen Feldzügen auf die Gemanen stieß, waren diese also noch gar nicht lange am Rhein angelangt. Man geht heute davon aus, dass es sich nicht um eine rigorose Verdrängung gehandelt hat, sondern die Kelten sich allmählich nach Westen zurückzogen und die Germanen ebenso allmählich nachfolgten. Zwischen beiden gab es auch Handel und offenbar befruchteten die technisch höher entwickelten Kelten die Germanen mit Ihrem Können.
Alle Städte am Rhein waren lange Zeit weit hinter dem Grenzwall zu den Barbaren, dem Limes, und deshalb kaum gesichert. Erst mit dem Fall des Limes und der Rückverlegung der Reichsgrenze an den Rhein wurden die Städte unter Kaiser Valentinien im vierten Jahrhundert zu starken Festungen ausgebaut. Dabei wurden auch zahllose Tempelanlagen und Prachtbauten abgerissen, um Baumaterial für die neuen Mauern und Türme zu gewinnen.
Als "Civitas Vangionis" bezeichnete man die Verwaltungseinheit, die sich auch auf das Umland der Stadt erstreckte. Zur Zeit des Romans, also um 400 herum, soll Worms/ Vangiones etwa 10.000 Einwohner gehabt haben, was nicht als kleine Stadt anzusehen war. Sie gehörte zur Provinz Germania Superior, Obergermanien, mit dem Verwaltungssitz beim Dux in Mainz (Mogontiacum).
Bei der Überquerung des Rheins zur Jahreswende 406/7 überqueren etwa 100.000 Feinde den Fluß, zerstören die meisten Städte von Xanten bis Basel und ergießen sich nach Gallien und Spainen, von wo sie nie wieder vollständig zurückgedrängt wurden. In der Folge dieser Kriege wurde Brittannien aus dem römischen Rein faktisch aufgegeben, wurde ein Vandalenreich in Nordafrika errichtet und wenige Jahre später plünderten die Goten Rom, zum ersten Mal seit 700 Jahren.

Unklar ist bis heute, warum die Stadt im Mittelalter wieder den Namen Borbetomagus trug, aus dem sich dann allmählich der heutige Name Worms formte.

Aus römischer Zeit sind noch einige Reste erhalten, so ein Stück der alten römischen Stadtmauer, die in die mittelalterliche Stadtmauer eingeflossen ist und am Mauerwerk noch gut als römisch erkennbar ist.